Freie Menstruation ohne Tampons und Binden – Geht das? Buchautorin Caroline Oblasser erklärt uns wie das funktionieren kann und verhütet mit hormonfrei mit NER.
Wir freuen uns riesig über das folgende Interview mit Caroline Oblasser. Sie ist dreifache Mutter, lebt in Österreich und ist Autorin von „Regelschmerz ade! Die freie Menstruation ohne Tampons & Binden” und vielen anderen Büchern und hat ihren eigenen Verlag… Caroline benutzt nur sehr selten Tampons und Binden – sie menstruiert frei. Ebenso verhütet sie hormonfrei mit der symptothermalen NER Methode. Im Interview berichtet Sie uns von Ihren Erfahrungen.
Caroline, du bist im deutschsprachigem Raum, die einzige Autorin, die über die freie Menstruation ein Buch geschrieben hat. Kannst du unseren LeserInnen ganz kurz erklären, was die „freie Mens“ ist? Und wie bist du eigentlich zur freien Mens gekommen?
Die freie Mens ist, wie der Name schon sagt, eine Variante, seine Menstruation frei, also ohne Kaufprodukte zu gestalten. Ganz einfach so. Kurz gesagt entleerst du dabei das Menstruationsblut beim Toilettengang (der deswegen vor allem in den ersten Mens-Tagen deutlich häufiger stattfinden wird). Persönlich bin ich dazu gekommen, weil ich nach der Geburt meines ersten Kindes und der anschließenden, mensfreien Stillzeit keine Lust mehr auf hässliche Menstruationsschmerzen hatte. Außerdem waren zu diesem Zeitpunkt – als ich über zwei Jahre nach der Geburt das erste Mal meine Mens wieder bekam – keine Binden, Tampons und so weiter mehr im Haus. Ich saß also auf dem Klo, merkte, es blutet, und dachte: OK, dann lass ich es mal bluten. Irgendwann wird es schon aufhören, ich hab ja keine Verletzung. Dann ging ich in die Hocke, weil ich, neugierig wie ich bin, dabei zuschauen wollte, wie das Blut rausrinnt. Und siehe da, nach einem großen Schwall wurde der Blutungsfaden immer dünner und dünner und versiegte nach gut einer Minute ganz. Ich war fürs Erste „dicht“. Und das mitten in der Mens! Großartig. An den folgenden Tagen „perfektionierte“ ich meine Methode und merkte praktischerweise, dass auch die Schmerzen fort waren. Die Gebärmutter konnte frei ablassen, der Muttermund musste keinen Stau ertragen, alles war krampffrei und höchst befreiend. Einfach ein gutes Gefühl.
Mittlerweile wird das Thema freie Mens im Internet immer beliebter und bekannter. Es existieren nun schon Facebookgruppen über dieses Thema, Blogbeiträge und Youtube-Videos. Hättest du jemals mit einer solchen Verbreitung im Netz gerechnet?
Wie cool ist das denn 🙂 Nein, ehrlich, das wusste ich gar nicht. Da ich keine Zeit für Facebook und mein Internet-Forum schon vor Jahren geschlossen habe, weiß ich gar nicht, dass das Freie Mens-Thema so beliebt ist. Es freut mich ungemein, dass die Mädchen und Frauen erkennen, dass sie sowohl bei Verhütung als auch bei Mens-Dingen ihre eigene Herrscherin sind und eben NICHT auf Hormone, Kaufprodukte und Schmerzmittel angewiesen sind. Youtube-Videos zur freien Mens? Sehr erfinderisch, hihi. Muss ich mal googlen …
Bei der freien Mens geht es insbesondere ums Loslassen – ähnlich wie bei der freien natürlichen Geburt. Hat dir die freie Mens bei einer deinen (Haus-)Geburten geholfen?
Ja, sehr gut sogar. Das merkte ich aber erst, als es in die erste Hausgeburt ging (zweites Kind, das erste war ein unnötiger Kaiserschnitt). Dass ich die Geburt schon vor der eigentlichen Geburt zigfach geprobt hatte, sozusagen, wurde mir bewusst, als ich meinen Muttermund öffnete und erkannte: Ah, das Gefühl ist nicht neu, das ist wie bei der freien Mens. Wer also in Dingen der Freien Mens geübt ist, der hat die Geburt prinzipiell schon „drauf“. Denn Mensschmerzen sind Wehenschmerzen, und die braucht man nicht unbedingt zu haben. Die Gebärmutter ist ja nur ein Muskel, der sich zusammenzieht und alles loswird, was in ihr drin ist. Mens-Flüssigkeit, das Baby – was halt grad so anfällt 😉 Ich hatte vor gut zwei Jahren eine Alleingeburt, die war dann noch zügiger und „professioneller“ als die Hausgeburt. Die Jahre zwischen Geburt 2 und 3 hatte ich meine Freie Mens sorgsam praktiziert und war daher super eingestellt auf alles, was im Unterleibso stattfindet.
Aktuell ist der Hebammenberuf und die gesamte Geburtshilfe in Deutschland bedroht. Was wird deiner Ansicht nach passieren, wenn es so gut wie keine Geburtshilfe mehr in Deutschland gibt?
Naja, was soll schon passieren. Geboren werden wird ja immer. Einige Frauen werden es sehr gut alleine machen, so wie ich. Einige werden sich „illegal“ Hebammen nehmen. Weitere pilgern wie zuvor in die Klinik. Vielleicht ist jemand mal erfinderisch und erfindet einen neuen Beruf, der nicht „Hebamme“ heißt, und daher nicht irgendwelchen idiotischen Regeln unterliegt. Nennt es doch einfach Geburtsfreundin! Letztlich braucht es großen Druck von außen auf die Kostenträger, die erkennen müssen, dass Hebammenhilfe in Wirklichkeit unbezahlbar ist. Sie schützt, wenn sie gut ist, die Weiblichkeit und bewahrt Frauen vor großen Schäden. Eine gute Schwangerenversorgung schützt vor Frühgeburtlichkeit und Geburtskomplikationen. Eine gute Geburt ist Grundstein für eine erfüllende Stillzeit. Und alles in allem geht es doch um das neue „Duo“: Mama und Baby. Also sind auch Familienhebammen gefragt, die Wochen und Monate nach dem Familienzuwachs ein offenes Ohr haben, nach Hause kommen und betreuen. Ohne meine eigene Hausgeburtshebamme wäre ich heute nicht dort, wo ich bin. Meine Hebamme war und ist von unschätzbarem Wert. Es gibt keine Woche, in der wir nicht in Kontakt miteinander stehen. Und das fast acht Jahre nach der Hausgeburt. Vor meiner ersten Geburt wusste ich gar nicht, ob Hebammen wirklich noch existieren. Der Beruf ist aus der Öffentlichkeit so gut wie verschwunden. Jetzt checken die Leute, auch unbeteiligte Leute, wenigstens: Ah, es gibt sie, die Hebammen. Aber wie lange noch? Mein Tipp an die Hebammen und Frauen: Lasst euch beispielsweise keine Geburtstermine einreden, dann können sie euch auch nicht zum Problem ausgelegt werden. Und macht nicht alle Schwangerschaftsdinge amtlich. Raster, Durchschnittswerte, Abweichungen davon – da ist klar, fast jede Schwangere trägt ein „Risiko“ im Bauch, denn jede ist einzigartig, und nicht „Durchschnitt“. Das mit dem Risiko ist pervers und muss ein Ende haben. Es ist wieder Zeit für die frohe, etwas geheime Hoffnung.
Die freie Mens lindert deiner Ansicht nach die Regelschmerzen. Woran liegt das deiner Meinung nach?
Wie ich schon erwähnte, sind Mens-Schmerzen so eine Art Wehenschmerzen. Beide müssen nicht sein. Lass entspannt los und sorge dafür, dass alles, was raus muss, auch raus kann. So lassen sich Mens-Krämpfe verhindern, und das ganz ohne Bauchwickel, Schmerztabletten und Globuli. Auch bei der Geburt braucht es all das nicht. Unser weiblicher Körper ist dazu erschaffen, Leben zu schenken und monatlich dafür zu „üben“.
Zur freien Mens gibt es derzeit noch keine Studien. Was vermutest du, woran das liegt?
Liegt doch auf der Hand: Wer hat schon Interesse daran, eine Methode zu studieren, an der er nichts verdient? Das ist wie beim Stillen. Die Fläschchenbatterie ist Milliarden Euro stark, das Stillen hat nur eine Lobby unter der Bluse. Am besten, jede Frau studiert sich selbst. Es ist auch jeden Zyklus etwas unterschiedlich. Je nach Stress, zum Beispiel, wird man leichter oder weniger leicht menstruieren können. Wenn ich weiß, dass ich an diesem und jenen Tag nicht häufig zurToilette gehe, dann setzt mich das unter Druck. Natürlich gibt es Berufe, die für die freie Mens weniger geeignet sind. Solche ohne direkten Toilettenzugang. Allen anderen Frauen rate ich, einfach zu sagen: „Liebe Kollegen, ich verschwinde heute und morgen etwas häufiger am stillen Örtchen. Dort menstruiere ich nämlich: Frei!“ Das sorgt bestimmt für Lacher und gute Laune. Und für Nachahmerinnen.
Frauen, die die freie Mens anwenden, entwickeln meist eine erhöhte Körperwahrnehmung. Hast du ähnliche Erfahrungen gemacht und ist das vielleicht auch der Grund, warum du NER (Natürliche EmpfängnisRegelung) praktizierst?
Die NER hab ich angefangen, als ich meine Periode bekam. Nicht zur Verhütung, damals war ich ja noch ein junges Mädchen. Sondern deshalb, um zu verstehen, was da eigentlich passiert. Ich fand es immer schon faszinierend, zu beobachten, wie die Basaltemperatur, also die Aufwachtemperatur, erst tief ist und dann, wie durch Zauberei, nach dem Eisprung deutlich ansteigt und auch erhöht bleibt. Praktischerweise kann man so genau ablesen, wann die Mens einsetzen wird, und wird nicht durch blutige Unterhosen überrascht. NER ist also auch zum Planen der Freien Mens ideal. Leider wusste ich als junges Mädchen noch nichts von der Freien Mens. Ich hätte mir viele schmerzhafte Zyklen erspart. Und ja, du bekommst definitiv einen besseren Bezug zu deinem Körper. Du agierst ja in Abstimmung mit Gebärmutter und Muttermund und kooperierst gewissermaßen. Du stopfst dich nicht mehr aus oder blutest die Hose voll, sondern stimmst darin überein, die Menstruationsflüssigkeit natürlich ablaufen zu lassen von Zeit zu Zeit. Die Freie Mens ist Teamwork. Auch ein guter Orgasmus ist Teamwork – Freie Mens-Anwenderinnen werden vielleicht herausfinden, dass sich die Orgasmus-Qualität verändert. Probiert es selber aus 🙂
Wenn du also auch die symptothermale Methode nach den NER-Regeln anwendest, bestimmst du deine fruchtbaren und unfruchtbaren Tage im Zyklus. Wie gehst du und dein Partner mit der fruchtbaren Zeit um?
Momentan gar nicht, weil ich seit über zwei Jahren einen unfruchtbaren, eisprungslosen Stillzyklus ohne Blutung habe 😉 Aus früheren Zeiten weiß ich, dass wir fruchtbare Phasen als solche respektieren und sie entweder meiden oder durch Barrieremethoden (z.B. Kondom) überbrücken. Das muss jede Frau für sich entscheiden, was sie tut. Klar ist: Vor dem Eisprung gibt es kein absolut sicheres Verhütungsmittel, außer die Enthaltsamkeit. Es kann immer was „passieren“. Am dritten Tag nach dem Temperaturanstieg (also nach dem Eisprung) sieht die Sache deutlich anders aus. Da ist der Fruchtbarkeitsofen erst mal aus. Je nach Beziehungsstatus und Kinderwunsch würde ich als Frau die NER daher „stark“ (kein Verkehr in fruchtbaren Phasen) oder „schwach“ (mit Kondom in fruchtbaren Phasen) praktizieren.
Die freie Menstruation und NER haben unter anderem eine Sache gemeinsam – beides reduziert Müll und ist umweltschonend. Spielt dieser Fakt eine große Rolle für dich oder wendest du beides „nur“ an, weil es für dich am praktikabelsten ist?
Keine Schmerzen. Keine Kontrolle von außen. Das waren meine Hauptpunkte bei der Freien Mens. Aber mit drei Mädchen zu Hause sind die Faktoren Abfall und Kosten auch nicht zu unterschätzen. Daher gebe ich allen mein Buch zum lesen und werde ihnen, wenn es so weit ist, genau erklären,wie sie die Freie Mens für sich praktizieren können.
Wenn du allen jungen Frauen da draußen in der großen weiten Internetwelt etwas über ihre Menstruation und ihr Körperbewusstsein mitteilen könntest – was wäre das?
Lasst euch nicht erklären, dass ihr auf Kaufprodukte zur Menstruation, Schmerzmittel oder teure Wärmekissen angewiesen seid. Probiert die freie Mens aus (eine ziemlich genaue Anleitung findet sich in meinem Buch *„Regelschmerz ade! Die freie Menstruation“Regelschmerz Ade – Freie Menstruation” und erzählt vor allem auch euren Freundinnen davon. Wenn alle Mädchen frei menstruieren, ist es ganz normal und keiner wird sich mehr drüber wundern. Macht es einfach. Es macht Spaß und gibt euch ein gutes Gefühl, alle eure Tage bewusst schmerzfrei und unabhängig zu erleben. Und später dann, wenn ihr Mama werdet, lasst ihr euch keinen Kaiserschnitt einreden wie manche uninformierte Promi-Frauen. Habt keine Angst. Alles wird gut. Ihr könnt das! 🙂
Vielen lieben Dank Caroline für deine offenen Worte!