Isabel verrät uns, wie sie es geschafft hat, hormonfrei zu verhüten in einer Generation Pille – in der fast 80% der Frauen in Deutschland die Antibabypille nehmen.
Liebe Isabel kannst du dich unseren LeserInnen kurz vorstellen, warum bist du online aktiv?
Ich bin Isabel, 28 Jahre alt und die Betreiberin des Blogs „Generation Pille“. Online aktiv wurde ich nach der Feststellung, dass meine jahrelangen Beschwerden ihren Ursprung in dieser netten kleinen Pille hatten und das, obwohl ich sie zu diesem Zeitpunkt schon lange abgesetzt hatte. Ich habe mich anschließend viele Jahre mit den Themen Endokrinologie, Frauenheilkunde und Hormone beschäftigt, Fachbücher gewälzt und mich mit Ärzten und Heilpraktikern unterhalten. Irgendwann konnte ich mit Hilfe der Mediziner und der Bücher meinen kompletten Krankheitsverlauf rekonstruieren und musste feststellen, dass einfach sehr viel schief gelaufen ist und alles, was ich durchmachen musste, niemals hätte passieren müssen. In dieser Zeit fiel mir auch auf, dass es unglaublich viele Frauen mit den gleichen Problemen gibt, die sich noch auf der Suche nach Antworten, Lösungen, Besserungen oder Ursachen befinden. Da war für mich klar, dass ich mein Wissen weitergeben muss.
Du bist kein ja keine „Pillengegnerin“, aber eine Pillenkritikerin. Wieso hast du damals angefangen die Pille zu nehmen?
Ich würde nicht sagen, dass ich die Pille als reines Verhütungsmittel kritisiere. Ich kritisiere sie als Lifestyle-Produkt, das schönere Haut, schmerzfreie Periode und größere Brüste verspricht, verschrieben von Ärzten, die ihre Patientinnen nicht richtig aufklären, Nebenwirkungen leugnen und auch die nötige Anamnese und Voruntersuchungen nicht immer vollständig machen. Das fand erst kürzlich die Verbraucherzentrale heraus.
Viele Frauen und gerade auch junge Mädchen wissen überhaupt nicht, was sie da genau einnehmen. Das finde ich ganz grausam.
Jede Frau sollte das Recht haben, genau zu wissen, welche Nebenwirkungen und Folgen entstehen können, um dann eigenständig zu entscheiden, ob sie die Pille trotzdem nehmen möchte oder nicht.
Ich habe die Pille, wie viele Mädels in meiner Generation, im Alter von 13 verschrieben bekommen. Natürlich damals nicht zur Verhütung, sondern auf Grund meiner relativ starken Menstruationsschmerzen, die zudem noch sehr unregelmäßig war. Damals schien mir das eine gute Lösung zu sein, doch aus der heutigen Sicht war das ein großer Fehler. Jedes Mädchen braucht eine Zeit, in der sich der Zyklus einpendelt. Dafür ist die Pubertät ja da und Probleme mit der Periode sind absolut kein Grund, die Pille zu nehmen. Dafür gibt es sehr hilfreiche pflanzliche Mittel.
Irgendwann kam der Tag, an dem du die Pille abgesetzt hast und hormonfrei verhütet hast. Gab es ein Schlüsselerlebnis oder wie kam es zu dem Entschluss, die sichere hormonelle Verhütung aufzugeben?
Es gab eigentlich kein Schlüsselerlebnis. Ich gehörte zu den Frauen, die nie schlimme Nebenwirkungen oder Beschwerden durch die Pille hatten. Natürlich gab es mal hier ein Pickelchen und da mal ein paar Kilo mehr oder weniger, aber es hat mich nie wirklich stark beeinflusst.
Irgendwann kam ich einfach in ein Alter (21), in dem ich mich bewusster mit meiner Gesundheit beschäftigt habe. Und da wurde mir relativ schnell klar, dass ich seit sehr vielen Jahren täglich ein Medikament einnehme, obwohl ich eigentlich völlig gesund bin und es nicht bräuchte. Ich habe mich dann gefragt, ob es so gut sein kann, seit der Pubertät künstliche Hormone zu nehmen und das Tag für Tag. Zu der Zeit war ich dann auch wieder Single und in meinen Augen machte das in der Situation natürlich noch weniger Sinn. Insgesamt hatte ich die Pille 8 Jahre genommen und davon musste ich nur 2 Jahre verhüten. Die anderen 6 Jahre hatte ich also völlig grundlos, als kerngesundes Mädchen, täglich ein Medikament genommen! Als mir das bewusst wurde, habe ich sie einfach nicht mehr nehmen wollen.
Welche Verhütungsmethode wendest du aktuell an und wie zufrieden bist du damit?
Ich mache seit einigen Jahren NFP und aktuell teste ich für den Blog verschiedene Zykluscomputer. Mit NFP bin ich eigentlich schon sehr zufrieden, aber vielleicht überzeugt mich einer der Computer nach der Testphase so sehr, dass ich umsteige.
Ich war besonders geschockt über deinen Artikel, dass die Pille einen Mineralstoffmangel auslösen kann und uns mit der Einnahme über kurz oder lang wichtige Vitamine fehlen. Woran liegt es, dass wir mit der Pille die Fähigkeit zur Vitaminaufnahme schwächen?
Das liegt zum einen daran, dass wir einen erhöhten Bedarf an Vitalstoffen haben, weil zur Verstoffwechselung der Pille einfach mehr benötigt wird.
Zum anderen liegt es daran, dass wir diesen erhöhten Bedarf nicht decken können, weil der ebenfalls unter der Pille leidende Darm die benötigten Nährstoffe nicht mehr so gut aufnehmen kann.
Wir brauchen also eigentlich mehr, nehmen aber zusätzlich sogar weniger auf. Auf Dauer kann das natürlich nicht gut gehen.
Einige Frauen leiden auch unter Haarausfall und Akne nach Absetzen der Pille. Ist das für dich ein Grund, die Pille weiter zunehmen oder kann man etwas gegen dieses Schicksal tun?
Ich glaube, das ist fast die schlimmste Angst von allen Frauen, die überlegen, die Pille abzusetzen. Komplett vorbeugen kann man sicherlich nicht, da die hormonelle Umstellung nun mal für ein bisschen Chaos im Körper sorgt. Es lässt sich aber mit Sicherheit minimieren.
Die meisten Frauen versuchen Akne & Haarausfall mit teuren Cremes, Waschlotionen und Shampoos entgegenzuwirken, was auf den ersten Blick auch logisch erscheint.
Doch wenn man sich die Ursachen genauer ansieht, liegen diese tiefer als man denkt.
In meinen Augen ist es ein organisches Problem und kein oberflächliches. Man kann also helfen, in dem man dem gesamten Körper etwas Gutes tut. Angefangen bei der Leber, die durch die Pille wahrscheinlich völlig ausgebrannt ist, über den Darm, der Zuwendung braucht, bis hin zu den fehlenden Vitalstoffen. Man muss es als Gesamtbild sehen. Die Pickel und die ausfallenden Haare sind nur ein Zeichen des Körpers, dass es ihm einfach nicht gut geht. Wer es genauer wissen möchte, darf natürlich gerne einen Blick auf mein eBook Bye Bye Pille werfen.
Ein ganz neuer Internet-Trend, vor dem ich unbedingt noch warnen möchte: Der Tipp, die Pille auszuschleichen, ist absoluter Quatsch, funktioniert nicht und ist gefährlich, also bitte bitte nicht ausprobieren!
Du hast es ja schon selbst angesprochen, dass du ein *eBook mit dem Titel Bye Bye Pille geschrieben hast. Worum geht es in dem Buch und was kann man daraus lernen?
Viele Frauen haben Angst, wenn sie die Pille absetzen, dass sich dann Nebenwirkungen wie unregelmäßige Zyklen, ausbleibende Periode, Hautunreinheiten und Haarausfall auftreten. In meinem Buch stelle ich einen ultimativen Absetzguide für die Pille und andere hormonfreien Verhütungsmethoden zusammen, in dem ich sowohl aufkläre woher diese Symptome kommen als auch darüber aufkläre – was man dagegen tun kann.
Verstehen, vorbereiten, entlasten und unterstützen – das sind die 4 nötigen Schritte, um zu verstehen, was in deinem Körper passiert, wie du eventuellen Problemen vorbeugen kannst, alte Nebenwirkungen los wirst und wie du ihm helfen kannst, zurück zu seiner Balance zu finden.
Eine der schlimmsten Nebenwirkungen der Pille ist wohl das erhöhte Thrombose Risiko. Was denkst du, wenn du Geschichten von Celine oder Felicitas Rohrer in den Nachrichten liest?
Das ist das grausamste, was einer gesunden, jungen Frau passieren kann! Allerdings finde ich es großartig, dass beide ihre schlimmen Erfahrungen nutzen, um auf diese Nebenwirkungen und die schlimmen Folgen aufmerksam zu machen. Es ist allein der Verdienst dieser Frauen, dass dieses Thema durch ihren Mut und ihr Engagement endlich so viel Aufmerksamkeit bekommt. Davor ziehe ich meinen Hut.
Mittlerweile leiden immer mehr Frauen an Schilddrüsenproblemen. Können diese Erkrankungen auch mit der Pilleneinnahme zusammenhängen?
Ja und Nein. Es gibt Frauen mit Schilddrüsenfunktionsstörungen, die in ihrem Leben niemals die Pille genommen haben. Genau so gibt es Frauen, die die Pille nehmen und eine völlig gesunde Schilddrüse haben. Also nicht immer ist an allem automatisch die Pille Schuld.
Was sich aber nicht abstreiten lässt ist, dass die Pille die Schilddrüse beeinflussen kann. Eigentlich ist das auch absolut logisch, denn das komplette endokrine System (Hypophyse, Schilddrüse, Nebennieren und Ovarien) beeinflusst sich gegenseitig und da die Pille in dieses System eingreift, bleibt es nicht aus, dass hier Probleme entstehen können.
Abgesehen davon können auch noch vier weitere Faktoren eine Rolle für die Gesundheit der Schilddrüse spielen:
- eine unter der Pille oft auftretende Östrogendominanz: sie kann die Wirkung der körpereigenen Schilddrüsenhormone beeinträchtigen
- die schon erwähnte überlastete Leber: sie kann Schilddrüsenhormone nicht richtig umwandeln
- das Fehlen von bestimmten Vitalstoffen: die Schilddrüse braucht z. B. Zink, Selen, Magnesium und Jod, um richtig arbeiten zu können
- ein durch die Pille erhöhter Cortisolspiegel: unterdrückt die Schilddrüsenfunktion
Sollte man vor der Einnahme der Pille eine gesunde Schilddrüse gehabt haben, ist es ratsam, nach dem Absetzen nicht gleich dem ersten Arzt zu glauben, der von einer Schilddrüsenunterfunktion spricht. Es kann gut möglich sein, dass einer dieser genannten Faktoren die Schilddrüse zwar schwächt und deshalb der Blutwert für eine Unterfunktion sprechen kann, es sich nach dem Absetzen der Pille aber wieder normalisiert.
Einige Heilpraktiker und Ärzte vermuten sogar einen Zusammenhang zwischen der Entstehung von Hashimoto und der Pille. Auch das sollte einem zu denken geben…
Etwa 5 bis 10 Prozent aller Frauen in Deutschland leiden an der Zyklusbesonderheit PCOS. Auf deinem Blog schreibst du, dass viele dieser Frauen gar kein PCOS haben, weil Fehldiagnosen getroffen werden. Ebenso stehst du einer Behandlung von PCOS durch die Pille kritisch gegenüber. Wie kommt es zu diesen Fehldiagnosen und wie kann ein PCO-Syndrom deiner Ansicht nach auch anders behandelt werden?
Vorab möchte ich gerne klar stellen, dass ich grundsätzlich die Existenz dieses unschönen Syndroms keinesfalls in Frage stellen möchte. Natürlich gibt es Frauen, die unter PCOS leiden und noch nie in ihrem Leben synthetische Hormone angerührt haben. Bei diesem Thema ist sich allerdings auch die Medizin nicht einig: Woher kommt es? Wieso bekommt man es? Genetisch? Angeeignet? Kann man heilen oder nur Symptome behandeln? Die Meinungen gehen hier sehr weit auseinander und niemand weiß wirklich was.
Tatsache ist, dass die Eierstöcke durch die Einnahme der Pille ihre Funktion einstellen. Je früher man mit der Pille angefangen und je länger man damit die Eierstöcke außer Gefecht gesetzt hat, desto komplizierter kann es werden, bis diese wieder beginnen, ihre Funktion aufzunehmen und selbst Hormone zu produzieren. Die Folge: unregelmäßige Zyklen, ausbleibende Periode, vermehrte Produktion männlicher Hormone, die häufig auch mal das ein oder andere Haar an eine Stelle zaubern, wo es nicht hingehört (z. B. Kinn, Bauch), eventuell ausbleibende Eisprünge und somit auch die Bildung der sogenannten polyzystischen Ovarien, also kleine nicht gesprungene Eibläschen. Das sind alles Symptome, die nach dem Absetzen der Pille erst mal völlig normal sind, aber eben auch als typische PCOS-Symptome gelten. Und genau deshalb kommt es auch zu dieser Fehldiagnose.
Man sollte seinem Körper nach dem Absetzen einfach Zeit lassen, sich wieder komplett zu regenerieren. Bei mir selbst wurde insgesamt drei Mal PCOS diagnostiziert, komischerweise waren die Symptome nach einiger Zeit von alleine verschwunden. Hätte ich mir damals also wieder die Pille verschreiben lassen (übrigens das erste Mittel der Wahl bei PCOS), würde ich sie wahrscheinlich heute noch nehmen, wohl auch noch in dem Glauben, sie aus gesundheitlichen Gründen zu brauchen.
Ich möchte mir keinesfalls erlauben, irgendwelche Behandlungsratschläge zu geben, dafür ist PCOS einfach zu komplex. Das einzige was ich dazu sagen kann: Für mich persönlich ist das Abschalten bzw. Unterdrücken von Symptomen durch ein Medikament keine adäquate Behandlung. Abgesehen davon, dass man ein ganzes Leben darauf angewiesen wäre, wird damit ja auch nicht die Ursache beseitigt. Mein persönlicher Tipp: einfach mal zum Heilpraktiker oder Frauenheilkundler gehen!
Wir leben in einer „Generation Pille”, wie du ja auch so treffend deinen Blog benannt hast, in der fast alle jungen Frauen in Deutschland dieses Medikament nehmen. Doch nehmen die jungen Frauen dieses Medikament ja nicht immer aus Gründen der Verhütung sondern als Brustwachstumsbeschleuniger, Aknereparateur u.v.m Wie kritisch siehst du diese Entwicklung – was möchtest du den jungen Frauen dort draußen sagen?
Ich sehe das sehr kritisch. Vor allem weil diese jungen Frauen auch immer jünger werden. Laut dem letzten Pillenreport der Techniker Krankenkasse war das jüngste Mädchen, dem die Pille verschrieben wurde, gerade mal 11 Jahre alt. Wie gesund kann es sein, einem Kind jeden Tag Hormone zu geben, bevor es überhaupt richtig in die Pubertät gekommen ist?
Die Pille ist ein Medikament, welches als Verhütungsmittel auch seine Daseinsberechtigung hat, stellt für mich aber keine Lösung für kleine Mädchen dar, die weniger Pickel haben möchten. Die Pubertät ist unheimlich wichtig für die gesunde Entwicklung junger Frauen. Das sollte man einfach nicht vergessen!
Gegen Unterleibsschmerzen und Pickel gibt es genug andere Mittel und Brüste wachsen früher oder später von alleine. Vor allem sollte jedem Mädchen klar sein, dass diese tollen größeren Brüste auch wieder verschwinden, wenn man die Pille wieder absetzt 🙂
Oft wird behauptet, dass gerade junge Mädchen mehr Wert auf ihr Äußeres legen als auf ihre Gesundheit, was ich jedoch stark bezweifle. Hätte mir damals jemand gesagt, was für gesundheitliche Risiken auf mich zu kommen, hätte ich mich definitiv dagegen entschieden. Und genau das ist der Punkt, den ich so kritisiere: Es wird nicht genug aufgeklärt!